Zugegeben, dieser Beitrag gehört eigentlich nicht in diesen Blog, aber aufgrund der Wichtigkeit des Themas und weil ich über diesen Kanal die meisten Menschen erreiche, schreibe ich ihn hier.
Können Sie sich vorstellen, dass eines Tages die Luft zum Atmen nicht mehr Allgemeingut ist, sondern von multinationalen Konzernen mit erheblicher Gewinnerzielungsabsicht vermarktet wird. Wer nicht zahlt, darf auch nicht atmen!
Vollkommener Blödsinn, sagen Sie?
Nicht ganz, denn ähnliches passiert zur Zeit mit dem Allgemeingut Wasser. Neben der Luft zum Atmen ist Wasser ein elementarer Baustein des Lebens und der Mensch kann ohne Wasser nur wenige Tage auskommen.
Der Hintergrund
Es geht hier um politische und wirtschaftliche Bestrebungen der EU, die Wasserversorgung in ganz Europa privatwirtschaftlich zu organisieren und nicht als staatliche oder kommunale Einrichtungen zu führen.
Hauptargument der Befürworter ist die These, dass privatwirtschaftliche Organisationen wirtschaftlicher arbeiten als der Staat oder die Kommunen. Darüber hinaus erhofft man sich Verbesserungen in Bezug auf die Qualität der Wasserversorgung.
Wenn „wirtschaftlicher“ im Sinne von „möglichst viel Gewinn erzielen“ gemeint ist, dann stimmt das sicherlich ohne jeden Zweifel. Bei rund 20 Mrd. Euro, die die deutschen Verbraucher jährlich für Wasser und Abwasserversorgung zahlen, und damit die Kosten decken, stellt sich die Frage, in welchem Maße diese Kosten bei privatwirtschaftlicher Versorgung steigen würden, denn der Gewinn der Konzerne kommt ja noch oben drauf.
Die Gegner argumentieren damit, das es in bisher keinem Fall privatwirtschaftlich betriebener Wasserversorgung zu einer Steigerung der Effizienz, also zu einer Senkung der Kosten bei steigender Qualität, gekommen ist. Siehe England und Frankreich. In der Praxis kam es nämlich zu mangelnder Qualität und oftmals prekärer Versorgungssicherheit, unzureichender Abwasserreinigung und maroden Leitungs- und Kanalnetzen (Studie der Universität Barcelona 2010).
Angesichts der zu erwartenden Milliarden-Umsätze interessieren sich natürlich auch deutsche Großkonzerne für das Wassergeschäft, allen voran RWE und EON.
Die Kommunen geraten zunehmend unter Druck
Noch sind die deutschen Kommunen autonom, d.h. keine Stadt kann gezwungen werden, ihre Trinkwasserversorgung oder ihr Abwassersystem zu verkaufen. Diese Autonomie ist verfassungsrechtlich geregelt. Doch es ist zunehmend feststellbar, dass diese Autonomie durch EU-Gesetze aus Brüssel ausgehebelt und damit den Großkonzernen der Weg geebnet werden soll.
Doch diese Gesetzesinitiativen sind nur ein Teil der Medaille. Der andere Teil wird geprägt von den Folgen der EU-Finanzkrise, die gerade auch bei den Kommunen zu einer sehr angespannten Finanzlage geführt hat, wenn diese nicht sogar schon vor der Eurokrise vorhanden war. Die Versuchung für die Kommunen ist also sehr groß, die Wasserwirtschaft gegen ein einmaliges, fettes Entgelt in private Hände abzugeben, um so die Haushaltslöcher zu stopfen.
Diesem einmaligen Geldregen (häufig nur ein Tropfen auf den heißen Stein) stehen steigende Preise für die Verbraucher, langfristig schlechtere Qualität der Wasserversorgung und jahrzentelange Knebelverträge gegenüber, die die Kommunen von jeglicher Einflussnahme abkoppeln.
Umfragen haben übrigens festgestellt, dass ohne diese finanzielle Not kaum ein Bürgermeister über die Privatisierung des Wassers nachdenken würde. Aber in der Not frisst der Teufel eben auch mal Fliegen.
Ausblick
Wenn das Modell der Privatisierung der Wasser- und Abwasserbetriebe in Deutschland flächendeckend umgesetzt wird, dann führt das ganz klar zu einem Abbau des heutigen, recht guten Standards. Die Grundpfeiler jeder wasserwirtschaftlichen Versorgung, nämlich Langfristigkeit und Gemeinwohlorientierung, werden brutal ausgehebelt zugunsten des Gewinnes großer Konzerne, zu Lasten der Allgemeinheit. Wollen wir das wirklich?
Das es auch anders geht, beweist die Stadt Stuttgart, wo 2010 der Stadtrat unter dem Druck der Bevölkerung beschlossen hat, die privatisierte Wasserversorgung zu 100 Prozent wieder in kommunale Hände zu nehmen.
In Bezug auf das immer noch relativ reiche Deutschland erscheint das Problem noch relativ harmlos, aber international gesehen, mit Blick auf Dritte-Welt-Länder, führt dieser Prozeß der Privatisierung meines Erachtens zu einer Katastrophe.
Schon heute haben Millionen von Menschen keinen oder kaum Zugang zu sauberem Trinkwasser. Wenn diese, zumeist bitterarmen Menschen in Zukunft auch noch für Wasser bezahlen sollen, dann Gnade uns Gott. Die Folgen sind unabsehbar. Werden zukünftig vielleicht Kriege wegen Wasserversorgung geführt?
Was können wir Bürger tun?
Informieren und handeln, siehe Links
Links zu diesem Artikel:
– Wasser: Öffentliches Gut oder Handelsware? von Klaus Lanz
– Website der Bewegung „Water is a human right“
– Video des WDR zu diesem Thema – Link existiert nicht mehr!!
– Europäische Bürgerinitiative „Wasser ist ein Menschenrecht“